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Mittwoch, September 17, 2014

Stinkender Müll -> Nobelapartments

Taipei wandelt sich rasend schnell, hier ein extremes Beispiel


Als ich 2004 nach Taipei zog bekam ich einen ziemlichen Kulturschock. Alles war grau und hässlich, vernachlässigte Plattenbauten kilometerweit um mich herum mit rostigen Fenstergittern. Die Leute bewahrten Unrat in den "Vorgärten" auf und manche verwandelten leere Grundstücke, den Zwischenraum zwischen den Hausreihen oder sogar Garageneinfahrten in veritable Mülldeponien, in denen der Müll im Sommer vor sich hin gärte. Aus den Gossen an den Fußwegen kam fauliger Geruch hoch, weil die Garküchen ihren Sud bei Feierabend in die Gosse ... gossen. Daher wohl der Name. Über den Straßen hing eine dicke Abgaswolke und in der Sommerhitze fiel mir oft das Atmen schwer.
"Alles halb so wild", schrieben die alten Expats im Ausländerforum. "In den 90ern hat der Smog noch in den Augen gebissen." Viele Expats im Forum nannten Taipei routinemäßig "shit hole", also Scheißloch und ein anderer nannte es immer mal wieder "Pnom Pei" in Anlehnung an die Stadt in Kambodscha. "Man" hasste Taipei und klagte darüber episch im Ausländerforum und Grund für den Hass gab es auch genug. Treppenhäuser stanken nach Urin und tote Käfer und Ratten waren da zu bewundern. Meine Hautkrankheiten waren episch zu der Zeit, am eindrucksvollsten fand ich die roten "Hexenkreise" auf meiner Haut, die zwar recht dekorativ waren, aber nur mühevoll wieder verschwanden. "Diesen Mikroorganismus sieht man so gut wie nie", kommentierte mein Hautarzt und war ganz angetan von seinem Studienobjekt.

Foto von 2006 mit alter Sony Cybershot P100 gemacht, die nie auf irgendetwas scharf stellen konnte

In meinen Fotos aus meinen frühen Jahren ließ ich jedoch Fotos von den Müllhalden etc. weg, dachte ich auch, diese würden mich ewig verfolgen. Das Foto oben ist aus dem Jahre 2006 und war in einem der ersten Postings im alten Taiwanblog auf Passado.com zu bewundern, das heute in dieser Form nicht mehr existiert. Nicht einfach auf Passado gehen, ich weiß nicht, was da heute kommt. Ich erinnere mich noch, dass es gewaltig stank, als ich die obige Aufnahme machte, denn vor der Häuserzeile hier ganz in der Nähe meiner Wohnung war ein oft unter Wasser stehender wilder Müllplatz auf einem Abbruchgrundstück. Alle Anwohner kippten da einfach säckeweise ihren Müll hin und es stank episch. Faulig-fruchtig-süßlich, das man sich fast übergeben musste. Direkt daneben ein ganz hübscher See mit Park, hier bei uns in NeiHu. Aber ich ging selten hin, denn ich musste mich durch Mopedsmog und mehrfachen fauligen Müllgestank kämpfen, um hin zu kommen. "Wohnst Du in Kalkutta?", fragte damals scherzhaft ein Leser, der das Fotos sah.
Meine Frau war damals ganz erstaunt, dass der See jetzt als Ausflugsziel einlud, hatte man sich erst mal durch den Müllgestank gekämpft. Sie erwähnte, sie sie erst ein einziges Mal in den 90ern da gewesen und da sei der See ein verdreckter Müllsumpf gewesen, in den alle ihren Hausmüll warfen. Die 1990er waren noch viel rustikaler als die frühen 2000er offenbar.

Und heute? Wie sieht es dort heute aus, ziemlich genau 10 Jahre später? 10 Jahre in denen die Stadtverwaltung die wilden Mülldeponien bekämpft hat, viel graue Plattenbauten weggerissen hat und fast überall auf Sauberkeit im Stadtbild drängt. Damit Taipei eine moderne Stadt wird und auch um Seuchen wie der damaligen SARS-Epedimie vorzubeugen.

Neue Fotos mit CASIO Exilim Z11 gemacht, mittlerweile schon wieder durch die Z1000 ersetzt, nachdem die Z11 einen Kungfu-Tritt abbekommen hat. Wir Asiaten trainieren halt auch viel zu hause ;-)

Fast die selbe Perspektive heute 2014. Das Haus ganz rechts im alten Bild fehlt nur im Bild, es ist unten zu sehen.. Aber irgendwie ist alles eine Note sauberer und auch grüner. Denn Bäume werden heute nicht mehr stark beschnitten und die Leute stellen selber manchmal Pflanzenkübel auf. Und die Treppenhäuser werden heute von der Verwaltung mit dem Schlauch gereinigt. Witziger Treppenwasserfall ist das Ergebnis, aber es ist eben sauber. Und die hässlichen Wellblechbaracken vor den Häusern sind heute weggerissen. Dennoch, so viel scheint sich nicht verändert zu haben, sieht man nur das Foto.


Doch weit gefehlt! Das ganze Viertel wirkt völlig anders, mit endlich unbeschnittenen Bäumen und vielen neuen Sträuchern. Und da vorne rechts, wo jetzt der neue Nobelbau steht, war früher der unter Wasser stehende entsetzlich stinkende Müllplatz! Heute ist da ein Nobelapartment-Block, größer könnte der Unterschied nicht sein. Schade, dass ich damals den alten Müllplatz nicht abgelichtet habe.

Hier wo früher der Müll gärte, ist heute eine für Taipei verboten luxuriöse Einfahrt. Und das in einer Stadt, in der Parkplätze kostbar wie Oasen in der Wüste sind! Und hinten haben sie sogar noch eine beleuchtete Zier-Wasserfläche. Genau da, wo früher der gärende Müll im Wasser lag. Müll gibt es da heute natürlich nicht mehr.

 Was ist das überhaupt für eine merkwürdig sterile Anlage, die so viel Platz verschwendet? Antwort: Ein Nobel-Apartmentblock, bei dem der Architekt die Wohnungen fast völlig vor dem Auge des Betrachters versteckt hat. Eine Wohnung kostet dort 200 Millionen Taiwandollar, also umgerechnet 5 Millionen Euro, meine Frau hat sich erkundigt.

Ein bizarres Ensemble mit Pappwild, das die Nichtnutzung des in Taipei sehr teuren Raumes zu zelebrieren scheint. Und von sehr asiatischem Geschmack zeugt. Solche Freiflächen lenken den Blick von den eigentlichen Wohnungen ab, die man nur andeutungsweise auf dem 3. Foto von oben erkennen konnte. Irgendwie sind auch die Wohnungen wohl recht klein, vor lauter verschwendeten Platzes.

Viele Sichtblenden und Foyer an Foyer, so wohnt man asiatisch raumgreifend, während der Rest der Stadt sich gegenseitig auf die Füße tritt.

Taipei ist im rasanten Wandel, Schlichthäuser werden manchmal aufgehübscht, oft weggerissen und auch hier wird schon wieder gebaut, sicher wieder ein Nobelwohnblock, gleich gegenüber dem anderen.

Und das Viertel am See wird zum teuren Nobelviertel. Viel alte Bausubstanz ist schon weggerissen und der Trend von der Allerweltsleute-Stadt zur Reichenstadt ist abzusehen. Aber zum Spaziergehen ist es so natürlich viel schöner.

Auch der Smog ist deutlich weniger geworden, dem Ausbau von U-Bahn und Schwebebahn halber. Taipei ändert sich so schnell, dass weite Teile dieses Blogs schon längst überholt sind. Gott sei Dank ;-)

17 Kommentare:

Miri hat gesagt…

;-)

Etwas viel Versiegelung, aber ist ja ne ehemalige Müllkippe und irgendwo müssen die Luxusappartements ja gebaut werden. ;-)

In D werden ja sogar Kindergärten auf ehemaligen Sondermülldeponien gebaut, wie z.B. in einem Ortsteil der Stadt, in der der Blogbetreiber aufgewachsen ist.

-> Hast Du ein Glück, dass Du in so einem fortschrittlichen Land leben darfst. Überlege einmal mehr, ob ich auswandere. Eine solche Wohnung könnte ich mir nicht leisten und müsste deshalb auch nicht auf einer ehemaligen Mülldeponie leben. ;-) Na ja, wer weiß, Bauplätze sind heutzutage nun mal rar. ;-) Hier im Ort bauen die Leute ihre Häuser mittlerweile sogar an der Güterzugstrecke im Überschwemmungsgebiet auf der jahrzehntelang abgelagerten Schlacke der Zuckerfabrik. Die Zuckerfabrik hat dicht gemacht, da braucht man auch nicht mehr das Überschwemmungsgebiet zum Ablagern und durch das jahrzehntelange Ablagern wird es auch nicht mehr ganz so leicht geflutet. "Oh, stank das früher manchmal da", sagt manch Alteingesessener. Manche bauen auf Pfählen, andere vertrauen darauf, dass ihr Haus nicht irgendwann versinken wird.

"Ludigel" hat gesagt…

Das Rübenmonster wird sie alle holen!

"Ludigel" hat gesagt…

Sorry, sehe zu viele Horrorserien die Tage. Hatte mir gerade diesen Sud vorgestellt und wie eine Hand ....
never mind.

Miri hat gesagt…

;-)

Grusel... Da muss ich spontan an die Ahnenforschung von Little Brother denken, der herausgefunden zu haben meint, dass ein Teil der Sippe once upon a time im heutigen Österreich mit samt der Raubritterburg im Sumpf versank. ;-) Schon damals baute man anscheinend nicht immer auf sicherem Grund. ;-) Muss bei der Erzählung immer an Edgar A. Poe denken. Aber ein Fluch o.ä. wird schon nicht die Ursache gewesen sein. ;-)

Im Wohngebiet neben dem Schlackengebiet war früher übrigens eine Hinrichtungsstätte. Die Hingerichteten wurden dort idR auch beerdigt. Ich würde da ja nicht bauen oder gar hinziehen wollen... ;-)

Aber ich bin ja eh schon extremst von Taiwan und gewissen Ländern fasziniert. ;-)

Miri hat gesagt…

Little Brother und seine Ahnenforschung... Er meint das mit den Raubrittern würde erklären, warum er manchmal so... ist. ;-)




"Ludigel" hat gesagt…

Meine Ahnenforschung hat ergeben, dass ich von kleinen Raubtieren abstamme. Rattengroß und haben Sauriern die Eier geraubt. Ist aber schon eine Weile her. Die Namen waren auch nicht mehr richtig zu ermitteln. Irgendwas mit "fiiieeep" und "knuttergurr".

Miri hat gesagt…

;-D Ach deshalb... ;-)
Never mind... Immerhin haben sie, nachdem sie die Sauriereier gefressen hatten den Meteoriteneinschlag überlebt und es geschafft nicht auszusterben. ;-)

hermann hat gesagt…

Taibei ist nicht Taiwan, im Rest der Insel sieht es nach wie vor ziemlich schlimm aus. Komm mal nach Gaoxiong, wo das FCKW der kaputten Kühlschränke ungehindert am Straßenrand entweicht. Brandrodung, Geistergeld mit Dioxin und Plastik-Abfall in jedem letzten Winkel der Natur.--- Taiwan braucht wirklich eine neue Haut!

"Ludigel" hat gesagt…

Danke für das Feedback. Ich kenne in der letzten Zeit mehrheitlich nur noch Touri-Orte aus zahlreichen Ausflügen, die ich leider hier längst nicht immer dokumentiert habe im Blog. Da ist es natürlich hübsch, etwa Hawaii-artig in Taitung County. Habe ich da überhaupt schon die Bilder hier gezeigt, glaube nicht. Sonst kenne ich Taoyuan County und Jhongli im Besonderen. Dort sind die unheimlich riesigen Müllberge, die in meinen Hunde-Gassigeh-Wegen teilweise mit dem LKW angeliefert worden sind (einfach ins Grüne kippen) mittlerweile verschwunden, weil viele neue Häuser in der Nähe gebaut worden sind. Und bei Sam am Roadies in Logtan ist der Müll im Wald schlichtweg zugewachsen mittlerweile. Aber in den Seitenwegen liegen immer noch frische Müllbeutel rum. Früher war es so extrem, dass ich hier im Blog mal "Make a country out of Garbage" getitelt habe und ich habe da auch keinen Deut zurück zu nehmen, das war damals wirklich so. Ich denke, vieles ist heute besser, aber offenbar gibt es immer noch die Müllecken.

Nie werde ich vergessen, wie ich abends die Hundies spazieren geführt habe zwischen den Müllbeutern, MICH ein Streifenwagen ohne Licht 10 m hinter mir verfolgte in Schrittgeschwindigkeit (UnderConver cops?) während weiter hinten ein silberner Toyota seinen Hausmüll im Grünen abgeladen hat.

Martin hat gesagt…

Hi Ludigel,
ja, immer vorsichtig fahren. Am Ende wirst Du noch gerammt wie in diesem Dashcam-Movie:
http://spon.de/vgyvc

Viele Grüße
Martin

"Ludigel" hat gesagt…

In der Tat ist es erstaunlich, wie sehr die Leute hier im Verkehr ausflippen. Meine beiden Erlebnisse mit tätlichen Angriffen auf Frau bzw. mich haben ja auch mit Verkehr zu tun. War auch ein kurioses Zeug, wie aus dem Irrenhaus.

Miri hat gesagt…

"Das Fahrzeug als Waffe"... Die Rechtsprechung hat in D auf Grund diverser Vorkommnisse seit längerer Zeit einiges dazu entwickelt. Bei Euch gibt es das auch?

Gestern zeigten sie auf der Startseite von T-Schrottline ein Video von sich auf der Autobahn um die Spur streitenden und sich dabei rammenden Autofahrern. Zum Glück ist immer mehr Polizei mit Kameras auf den Autobahnen unterwegs und zeichnet so etwas auf. Dashcamaufzeichnungen Privater dürfen ja in D nicht verwendet werden.

Miri hat gesagt…

Ich hatte die "Fahrzeug als Waffe"-Problematik damals in meiner großen Strafrechtshausarbeit. Hatte damals nur drei Tage und drei Nächte Zeit für die Hausarbeit (eigtl. wurden mind. 3 Wochen dafür angesetzt, manche schrieben auch länger) und ansonsten im Job eine Fünfzigstundenwoche, obwohl ich lt. Vertrag eigtl. nur 19 hätte arbeiten müssen. Jeder schob Überstunden ohne Ende, war eine Sondersituation. Chef gab mir damals drei Tage frei. Und ich schrieb drei Tage und Nächte durch. "Fahrzeug als Waffe" war so eine geniales Thema. Gab schon damals total viel Literatur dazu. Damals galt das Fahrzeug lt. unserer Rechtsprechung noch als Waffe, selbst der BGH sah das so. Später hat es das BVerfG gekippt. Und das auch noch bei einem Fall, bei dem es um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ging, wie in der Hausarbeit.

Ich hatte damals übrigens bestanden, der Korrekturassistent schrieb allerdings unter die Arbeit, dass er es schade fände, dass ich so wenig Zeit fürs Schreiben gehabt zu haben scheine. Rückblickend denke ich: Wie überhaupt für das ganze Studium...

"Ludigel" hat gesagt…

Rechtsnorm und Rechtswirklichkeit gehen hier so weit auseinander, dass man da eigentlich nicht viel drüber nachdenkt, bringt auch nicht viel. Autofahrer bedrängen routinemäßig schwächere Verkehrsteilnehmer und das ist fester Bestandteil des Taiwaniwinne-Fahrstils

Miri hat gesagt…

Dann ist das aber gewohnheitsrechtlich...

Egal, ich merke schon, das Google Driverless Car gehört zu den wichtigsten Erfindungen des 21. Jahrhunderts. ;-)

"Ludigel" hat gesagt…

Ach, und wohin sollen die Taiwanherren dann mit ihren aufgestauten Aggressionen? Dann muss die Frau zu Hause einen KungFu-Kurs machen, wenn Adam Chen abends vor der Arbeit driverless heim kommt. Hau zu! Ach neh, das heißt ja "gutes Essen" auf Chinesisch, jedefalls im Dialekt meiner Schweigermutter.

Miri hat gesagt…

Sport hilft wirklich gegen Aggressionen. ;-) Ich darf ja endlich wieder und verfettet und untrainiert, wie ich nach vier Wochen Sportabstinenz bin, sind 2 h/Tag momentan der reinste Aggressionsabbau... ;-)

Wie gut, dass meine große Tochter so gut Karate kann. Da wird einem ja Angst und Bange, wenn man das hier liest. ;-) Na ja, vlt. lernt sie ja ihren Traummann im Maschbaustudium kennen. Fast nur Männer in dem Studiengang und ganz viele Asiaten. Vlt. konstruiert sie ja irgendwann mit ihrem Schatz zusammen nen Driverless Benz/Porsche/BMW/Ford und meinetwegen auch Volvo und was es sonst noch so alles gibt mit eingebautem Fitness- und Antiaggressionsbereich und nem Entspannungsbereich für die Paare... Da brüllen sich dann die Paare nicht mehr auf dem Hin- und Rückweg zum/vom 10h-Job gegenseitig an, sondern verbringen eine entspannte Fahrt hinter getönten Scheiben und spielen mit Hilfe von Animationsprogrammen z.B. gewisse Szenen aus James Bond-Filmen nach... Ja, das 21. Jahrhundert könnte doch noch ein sehr entspanntes werden... ;-) Wehe der zukünftige Schwiegersohn ist kein asiatischer Nerd... ;-) Ich hoffe sie liest das hier nicht. Ich werde ihr ab sofort sagen, wie blöd ich asiatische Nerds finde, v.a. die aus China und Taiwan, dann wirds schon mit dem Traumschwiegersohn klappen. ;-)