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Dienstag, Dezember 04, 2012

Roter Tempel in Jhongli, Taoyuan County

Eigentlich sieht er gar nicht rot aus, der rote Tempel. Er liegt so düster in einer Nebenstraße an einem leeren Park, dass man ohnehin nicht viel sieht von dem Gebäude. Allerdings strahlt er immer eine düstere Romantik aus, wenn innen der beleuchtete Gott durch die Gitterstäbe leuchtet. Faustregel übrigens: Man darf Göttern nicht etwa eine Lampe direkt über den Kopf setzen bei der Illumination, sondern muss etwas Abstand wahren. Sonst zürnt der Gott, wohl weil er sich auf den Arm genommen fühlt. Da habe ich auch noch eine längere Geschichte zu, aber die muss noch ein bisschen warten.

Als wir noch in Jonghli unser Reihenhäuschen hatten, das wir mittlerweile wieder verkauft haben (Stichworte: Kotsammeln hinter unserem Haus, kleptoman. Nachbarin, Karaoke, akute Kleine-niedliche-Hunde-Fresserei im Winter, Mega-Zumüllerei, alles Nachbarn miteinander verwandt), habe ich öfter unsere beiden Hunde ins Auto geladen und bin in dem gepflegten Park mit ihnen spazieren gegangen (ja ja, erstmal außerhalb des Geschäftes wegen), ein Park wie viele leere in der Gegend, in dem außer mir nie irgendjemand anders zu sehen war, auch tagsüber nicht. Der Tempel sieht von außen also stockdunkel und grau aus und mit meiner damaligen kompakten Digitalkamera ließ er sich nicht richtig ablichten. Auch für die Film-SLRs war er eigentlich zu dunkel. Doch jetzt mit der Digital-SLR muss man nur am Schattenaufhell-Knopf drehen, schon färbt die Straßenbeleuchtung ihn rot ein und alles sieht recht effektvoll aus. So als hätte man ein eigenes Beleuchter-Team in der Westentasche. Ist mir immer noch etwas unheimlich diese Digitaltechnik. Übrigens ist es ein sehr kleiner Tempel, nur die extreme 15mm-Optik (an Vollformat) lässt ihn hier so weit wirken. Das Deckenbild um die Lampe herum war überbelichtet, der starken Kontraste wegen. Doch die Nachbearbeitungssoftware hat irgendwo einen "Zauber-Überbelichtung-weg" - Knopf und schwupps ist die Decke wieder richtig belichtet. Vielleicht ist der Knopf auch irgendwo im fünften Untermenü der Kamera (Sony Alpha), nach zwei Jahren habe ich immer noch nicht alle Funktionen gefunden. Junior (1 Jahr alt) hat neulich eine neue Funktion beim Rumdrücken auf den Knöpfen gefunden. Ich muss ihn noch mal spielen lassen, vielleicht zeigt er mir noch was neues.

Nicht dass das einer falsch verstanden hat, das mit den Nachbarn oben, ich wünsche unseren Gott-Sei-Dank-Exnachbarn auf dem Lande nichts schlechtes. Mögen sie vor Bissen der niedlichen Kleinen Appetithappen-Hunde geschützt sein, möge ihnen nie ein Chinaböller in die Hose fallen, mit denen sie 365 Tage im Jahr herum geknallt haben, auch um 5.30 Uhr morgens und mögen nie zwei der Volltrunkenen ohne Licht fahrenden auf der schmalen Gasse zusammenstoßen und möge die spültoilettenmeidende Kotsammlerin nie ausrutschen und mti dem Kopf in den Eimer fallen. Oder doch. Mir heute egal. Nett war jedenfalls das Wiedersehen mit den beiden Damen vom Friseurladen, bei dem sich meine Frau die Haare machen ließ. Beides sind nette, bodenständige Leute. Witzig war es beim letzten Besuch, da hatte meine Frau eine Beule von einer Entzündung unterm Kinn und die eine der beiden gab die Diagnose: "Ist wahrscheinlich Krebs, war beim meinem Onkel auch so. Ist dann schnell gestorben."
Die Leute auf dem Lande sind noch mal ein anderer Menschenschlag als die Städter in Taipei und mit dem Reihenhaus mitten drin zu leben war sicher eine Überdosis von so viel Bodenständigkeit, aber so besuchsweise ist es ganz nett. Kaum hatte ich das Foto gemacht, hielt zu mitternächtlicher Stunde ein Kleinwagen und eine Familie brachte Opfergaben in den Tempel. Alle blieben stehen und bestaunten mich. "Adogah" (gesprochen Adoah) riefen sie einander zu, was wörtlich übersetzt "Großnase" oder "Langnase" heißt***. Ich rief "Adoah" und winkte ihnen zu. So als ob es ein Gruß sei. Dann fuhr ich fort, bei den Vielgötterritualen zur Geisterstunde wollte ich nicht weiter stören.

P.S.:  Irgendwie müsste man den Gott im Innern mal gegen diesen schwarzen hundeköpfigen ägyptischen Gott austauschen.... Hust.

LINK:
Ein anderer Nachbarschaftstempel, noch analog abgelichtet: http://bobhonest.blogspot.tw/2008/05/man-am-i-far-from-home.html 

Nächtlicher Fotostream 


*** Viele Taiwaner glauben aber auch, das taiwanische (Hoklo-)Wort "Adogah" sei einfach ein aus dem Japanischen übernommenes normales Wort für "Ausländer" und meines es nicht immer auf die Nase bezogen. Bei Ausländern ist der Term jedoch i.d.R. unbeliebt. Eine Wurzel ist ein alttaiwanisches Wort (Atoka oder so, eben "Großnase"), die andere Herkunft ist wohl (so wurde einmal im Ausländerforum Forumosa.com unbewiesen hergeleitet) ein japanisches Schimpfwort für Ausländer. "A dog" haben die japanischen Kolonialherren auf Englisch gesagt, wenn sie einen Weißen gesehen haben, was sie als "A-dog-ah" gesprochen haben. Letztes ist möglicherweise mit dem Atoka verschmolzen. Genau weiß das keiner. Taiwaner regieren immer sehr erheitert auf die "A dog"-Erklärung und versichern, nichts Böses mit dem Wort im Sinn zu haben und dass die Erklärung Unsinn sein - soweit mir gegenüber jedenfalls. Der Mandarin-Term für Ausländer ist "Waiguoren" (Ausland-Mensch), sein leicht spöttischer Zwilling "Laowai" (etwa: Chef-von-Draußen), der spöttische Term für südostasiatische Arbeitskräte ist hingegen "Wailao" (sozuagen ist der Ausländerchef da auf den Kopf gestellt?).

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

IchMeinJaNur wrote:
Wenn irgendwann ein Longnose, der vorher auf Taiwan war, nach Hawaii zieht, gibt das Verdruss für beide Seiten:

Hawaiianer: Aloah!

Expat: I don't believe it, even here! What did you say to me?