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Freitag, Mai 03, 2013

Schrein der Märtyrer

Der "Schrein der Nationalen Märtyrer" in Taipei, ganz bei mir in der Nähe, verdeutlicht sicher, dass die Taiwaner ein ganz anderes Verhältnis zum Vaterland haben. Anders als die Deutschen können sie sich offenbar in Glanz und Gloria des Vaterlandes sonnen und ihre Helden mal so richtig feiern, wenn sie nicht mehr unter den Lebenden sind. Wozu der Schrein eben dient.

Tor zum nationalen Taiwanischen Taumel? Ganz so aber doch nicht. Denn der Märtyrerschrein verehrt alle mögliche Helden, die für die Sache der "Republik China" gestorben sind - und die 1911 gegründet wurde. Auf dem chinesischen Festland eben und nicht in Taiwan. Vom zumindest in Taiwans Hauptstadt Taipei hochverehrten Dr. Sun Yat Sen, laut taiwanischer Geschichtsschreibung (wenn der Fokus auf der Republik China liegt jedenfalls) eine Art selbstloser Halbgott, der Demokratiefreund war und das danieder liegende chinesische Vaterland vor japanischer Invasion und korrupten Warlords retten wollte. Laut diesem Buch (http://www.amazon.com/China-Will-Never-Rule-World/dp/0986803502) war er allerdings selbst ein versoffener und herumhurender Halunke, der nur mehr oder minder zufällig gerade da war, als die Soldaten aus Versehen das in den letzten Zuckungen liegende Kaiserreich gestürzt haben. Und der sich kaum in China sehen lassen konnte, weil er sonst wegen Mafiageschäften verhaftet worden wäre. Meine Frau würde mich ohrfeigen, wenn ich das so behaupten würde.

Der gute Doktor gründete also auf der Flucht vor der Polente im Laufschritt die Republik China oder wie auch immer das genau war, die aber nur bis 1949 währte, weil dann die Kommunisten die Macht übernommen haben. Ergo zog sich die Republik China mit Regierung und einigen Soldaten auf die Insel Taiwan zurück, die seit 1895 eine japanische Kolonie war. Dort gibt es sie noch heute. Sage ich, weil ich meine Steuern an diese Republik zahle und die Flagge der selben stolz auf der Insel Taiwan weht. Die offizielle Stellungnahme der deutschen Bundesregierung hingegen würde lauten, dass es die Republik China seit 1949 nicht mehr gibt. Aber gut, irgendjemand nimmt offensichtlich mein Geld entgegen, wedelt mit der Flagge der Republik China rum, hat ein eigenes Militär und eine eigene Staatsbürgerschaft, also nennen wir es doch einfach "Republik China", auch wenn es sie gar nicht mehr geben soll. Oder umgangssprachlich eben "Taiwan", der großen Insel als Zentrum ihres Herrschaftsgebietes wegen.

Hier im Schrein werden also im Wesentlichen chinesische Helden gefeiert, die für China in China kämpfend gefallen sind, unter dem Banner der Republik China, dessen obige Flagge vom Wappen der Kuamintang-Partei Dr. Sun Yat Sens abgeleitet worden ist (man sieht es hier auch auf der Tragfläche des Fliugzeugs im Bild im Bild).

Unumstritten ist diese chinazentrische Sichtweise der taiwanischen Geschichte nicht in Taiwan. Besonders im Süden der Insel sieht man sich eher als Taiwaner und nicht als Chinesen. Aber hier sind wir eben fast in der Nachbarschaft von Ludigel in der Hauptstadt Taipei im Norden. Hier hat sich damals Diktator Chiang Kai Chek nierdergelassen, der Dr. Sun beerbt hatte in China (so etwa) und dann eben vor den Kommunisten nach Taiwan geflüchtet ist, wo er insularischen Widerstand niedergeschossen hat und die Republik China hier bis heute weitergeführt hätte. Wenn er nicht gestorben wäre. Dran ist die Kuamintang-Partei immer noch, seit 1992/1996 allerdings demokratisch legitimiert und mit einer Unterbrechung von 2000-2008, als der chnafeindliche und Pro-Unabhängigkeitspräsident Chen (aus dem Süden kommend) die Inselrepublik regiert hat.

 Hier geht es hinein ins innere Heiligtum, das vorletzte Foto zeigt es schon oben.

Draußen hat man diese zwei Pavillons die einer mir unbekannten Person gedenken. Nein, der Exdiktator war es nicht, trotz Glatze. Oder er in jungen Jahren? Wer weiß das schon, sah jedenfalls anders aus der Herr.

Habe mal gelesen, man käme hier nicht ins Innere, wenn man kurze Hosen oder Sandalen an hätte. Ob sonst den Wachen das Bajonett in der Tasche aufklappt? Wir wissen es nicht.

 Ich war jedenfalls kein Stein des Anstoßes, war mit langer Hosn und Halbschuhen perfekt gekleidet trotz des heißen Tages. Nutzt einem aber manchmal auch nicht. Am 01. Mai wollte mich ja trotz Nadelstreifenjackett, Einstecktuch und langer Hose nebst schwarzer Schuhe ein älterer Herr nicht mal in "mein" Mietshaus hineinlassen und knallte mir, als ich insistierte, verärgert die Haustür vor der Nase zu. Halb so schlimm, habe ja auch einen Schlüssel.

Als der alte Mann so steif, stumm und bleich in "meinem" Hauseingang stand, aus dem Dunkeln kommend, dachte ich für einen Augenblick, die Zombieapokalypse habe schon angefangen. War dann aber doch noch nicht so. Das Wandbild steht damit aber nicht in Zusammenhang, sondern bezieht sich sicher auf die Fehlgeschlagene Verteidigung der Mietshäus... äh ... des chinesischen Festlandes. Wo waren wir? Äh...

Hier gibt es jedenfalls den Tempelteil mit Götterstatuen geradeaus und links (und rechts?) ein Gebäude mit Urnen. Selbstverständlich verhält man sich hier ruhig und respektvoll und meckert nicht ständig über irgendwas herum (räusper). 


Der Gedanke kam mir, wenn wir in Deutschland eine Halle der Märtyrer hätten, wen hätten wir da schon alles hinein- und vor allen Dingen wieder hinaus-gestellt. Karl Peters rein, wieder raus. Hindenburg rein, wieder raus (oder nicht?) etc.

 Hier ist aber Respekt angebracht, nicht nur alte Chinakrieger sind hier hinter dem goldenen Ring, sondern u.a. auch die Asche einer Krankenschwester, die einst bei Ausbruch der SARS-Seuche vor ein paar Jahen gestorben ist. Ansatzweise apokalyptische Stimmung herrschte auf der Insel damals, ich erinnere mich noch an Fernsehbilder, bei denen sich Krankenhauspersonal aus den Fenstern eines unter Quarantäne stehenden Krankenhauses abseilte. Damals hatte ich gerade geheiratet und war aller Reisewarnungen zum Trotz angereist.

Hier sieht man die Urnen. Wäre meine Frau dabei gewesen, wäre das Fotografieren streng verboten gewesen, keine Frage.

Wenn Sie den "Herrn der Ringe" noch mal sehen: Die runden Hobbit-Türen sind den traditionell chinesischen entlehnt.

Hier geht es jedoch ungleich ernster zu. Einzelnen Soldaten und Offizieren sind Standbilder gewirdmet. Dieser Soldat etwa hat sich laut Schild in gegnerisches Maschinengewehrfeuer geworfen, um seine Kameraden zu retten, auf dem chinesischen Festland.

Verheilt sind die Wunden der alten Schlachten in Taiwan noch nicht. Die Beziehung zu China ist immer noch ungeklärt, denn die VR-China beansprucht das Territorium der Republik China und in letzterer gibt es ganz unterschiedliche Positionen zur Chinafrage. Über die sich auch gerne Expats in Taiwan die Köpfe heiß reden.

3 Kommentare:

Karl hat gesagt…


Am 1. Mai gab es Kaffee und Kuchen (Berliner und Bienenstich) im Wirtschaftsbüro Deutschlands (auch inoffiziell Botschaft genannt) für umme und eine Rechtsauskunft über das Leben in Taiwan dazu. Und Du treibst Dich in irgendwelchen Tempeln und Memorial Halls herum?





"Ludigel" hat gesagt…

Das war schon lange vorher. Die Fotos sind ne ganze Weile auf der Festplatte bei mir bevor ich dran gehe. Jau, Berliner und Bienenstich, klingt gut ;-)

Karl hat gesagt…

Irgendwann im Juni haben die noch so eine Veranstaltung - Verkehrsrecht (Autos und so). Sollte für Dich als Autofahrer interessant sein