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Montag, Juni 10, 2013

Der deutsche Ober

Samstag in Taipei in einem guten Restaurant, das auf französisch macht, aber eigentlich japanisch ist. Tapernyaki-Style, wo der Koch vor einem am heißen Blech das Essen brät. www.chamonix.com.tw. Na, das klingt französisch. Kleine Leckerli aus Fisch und Fleisch, mundgerechter geeister Pfirsich mit anderem Kleinobst auf dem Löffel. Haps, ist es weg. Der Ober, der exklusiv für uns und den Nachbartisch zuständig war wie es schien, stand ständig bei der eigentlich auf die Philippinen ausgewanderten Schwester meiner Frau, die gerade zu Besuch und mit am Tresen (Tische haben die dort eigentlich nicht) saß. Hier schwadronierte er so lang und ausgiebig mit der Ausgabe 2 (mit Varianz) meiner Frau, dass mir sofort klar war, dass er sich die angenehmste Gesellschaft am Tisch ausgesucht hatte - gleich nach meiner Frau natürlich. Er hatte ihr wohl erzählt, er sei in Deutschland aufgewachsen. So berichtete mir die Schwester immer zwischendrin, wenn er gerade mal kurz am anderen Tisch war. Bis zum 16. Lebensjahr sei er da zur Schule gegangen, dann sei er in die USA immigriert. "Du kannst mit ihm Deutsch reden", rief die Schwester. Ich nickte nur, aß das leckere klein geschnittene Steak mit Soße und sagte "Thank you", als der Ober mir die Gratisbrause nachschenkte ins Weinglas. Niemals Taiwaner zum Ausländertalk ermutigen. Niemals. Im zehnten Jahr habe ich da so viel erzwungenen Smalltalk erlebt, dass ich mich niemals freiwillig für diese "where you from?" - Konversation melden würde. "Er redet doch so komfortabel mit Dir", erwiderte ich neckend. Und das entsprach auch der Wahrheit. Mich würdigte er bei all dem langen Gespräch über Deutschland keines Blickes, erzählte dann aber der Schwester, er würde kein Wort Deutsch sprechen, weil er es nie richtig gelernt hatte. Was ja auch logisch ist bei 16 Jahren Kindheit in Deutschland. Pisa und so. Handzeichen gehen ja auch.
Meine Frau erwähnte, einer der Nudelverkäufer in Jhongli bei Taoyuan habe uns mal erzählt, er sei Spanier. Dabei sah er eben wie ein taiwanischer Nudelverkäufer aus. Und ich hätte ihn daraufhin auf Spanisch (damals konnte ich in der Tat noch etwas Spanisch aus meiner Lateinamerika-Trip-Zeit) angesprochen und er habe nicht mal "Hola" (Hallo) verstanden. Gut, bis zum Hallo ist er vielleicht nie gekommen, kann ja alles sein. Handzeichen eben. Ich widerstand der Versuchung dem flirtenden Ober ein schwieriges "Danke" entgegen zu schleudern, bin ich doch wirklich immer um das Gesicht meiner Inselgenossen hier besorgt.
Das Essen ist gut im Chamonix und Schwesterherz ist seit ihrer Expat-Genesis wirklich eine beeindruckende und sehr attraktive und charmante die Welt kennende Frau, was will man da dem Obristen übel nehmen, dass er sich auch in einen weltenbummlerischen Charmonix verwandeln will. Charmeur meine ich. Wahrscheinlich dachte er erst, ich sei Amerikaner, wie üblich.

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