Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, September 21, 2010

Taiwan-Essen und Hygiene

Neulich einen Landsmann getroffen, einen großen bärtigen Mann** mit Adlernase, den es aus beruflichen Gründen für eine Woche auf meine herrliche Insel Formosa alias Taiwan verschlagen hatte. Die Pupillen leicht erweitert stand der Teutone noch unter dem Schock des Neuankommens und redete etwas von Krach, Dreck und unhygienischem Essen. Ich bestätigte, dass Taipei natürlich laut und slumartig in meisten Teilen sei (was freilich nicht heißt, dass dort arme Leute wohnen nebenbei bemerkt), konnte mit dem Essen allerdings nicht völlig zustimmen. Natürlich kamen wir beide überein, dass das deutsche Gesundheitsamt solche Zustände wie sie hier am Tellerrand der Weltscheibe herrschen, daheim nicht dulden würde. Immer wenn ich diesen Satz sagen, höre ich im Hintergrund leise Schiller seine Glocke rezitierend und Goethe murmelt irgendwas von "über allen Wipfeln ist Ruh'...".

Einweihungsparty vom Kollegen. Weil seine Hütte so groß war, hatte ich ihm empfohlen, ein Fried-Chicken-Retaurant oder 'ne Currywursthöhle aufzumachen. Hat er eh nicht verstanden und wie immer fröhlich gegrinst.

Betrachtet man die Sache freilich etwas undeutscher, dann kann man feststellen, dass man sowohl in Deutschland wie auch im formosen Taiwan fast immer hygienisches Essen serviert bekommt und es nur gelegentlich Ausreißer in Richtung "igitte-Pfui***" gibt. Wenn man in Taiwan wie ich die billigen Garküchen frequentiert, in denen freilich Chinesisch (bei mir in Gestalt meines angetrauten Eheweibes) erforderlich ist zur Bestellung, dann kann man sich gleich durch scharfes Hinsehen einen Eindruck von der Kochstelle verschaffen. In der Regel sieht man dort Spinnenweben und ein bisschen Ruß an der Decke, aber das stört mich also genauso wenig wie ungedeckte Hypotheken bei der Schwiegermutter des Garküchenbesitzers.

Die heiße Platte, auf der hier gekocht wird, ist in der Regel von dreißig Voressen mit einem Ölfilm versehen, aber weil ja keiner direkt vom Herd isst, ist das auch okay für mich. Außerdem schieben sie mit einem schwarzen Schaber immer wieder das alte Öl an die Seite, so dass wir am Rand, wo niemand kocht, tagsüber einen frischen schwarzen Ölschlackesud haben, so als habe eine einschlägige englische Ölgesellschaft da mal so richtig vom Leder gezogen. Andererseits ist ja die Ölkruste nur am Rand und jeden Abend wird die Kochplatte gereinigt, insofern ist es mir auch wieder egal.

Kleine Restaurants sind genauso, meist kann man auch da die Kochstelle einsehen. Manche sind sogar pikobello sauber, kann man nicht anders sagen. Eklig fand ich einmal ein pseudo-westliches Restaurant, wo die Toilette eine Tür hatte, die unten eine Handbreit Luft ließ. Drinnen in der Toilette herrschten Zustände, als hätte eine Kompanie betrunkener Rotarmisten den Befehl bekommen, die feindliche Latrine mal so richtig ran zunehmen. Aber das ist in Taiwan normal, wenn hier die Toiletten sauber sind fragt der Gast verstört den Ober, ob das Ding kaputt ist (schließlich benutzt es ja offensichtlich keiner). Letztendlich ist Konfuzius daran Schuld, aber mehr dazu ein andernmal.

Gut, nun können Sie sich die Toilette bildlich vorstellen. Hübsch sah man aus der Gaststube den Sud auf dem Boden der Klozelle und nicht gleich sah ich die Salatsoßenschüssel, die direkt neben der Klotür stand, direkt auf dem Boden! Die Ober bedienten sich immer mit einer Kelle voll Salatsoße und schmierten sie über den Salat, was gänzlich unangenehm war, sah man doch dass Klobesucher mit patschigen Füßen den Biosud auf dem Boden gleich in die Salatsoße spritzen lassen konnten. Ich gebe zu, auch als Multikuliweltbürger habe ich da mein Essen nicht ganz aufgegessen.

Das zweite Mal in all den Jahren war es ein kleines Lokal gleich bei Schwiegermutter nebenan, das Reklameschild war rote Schrift auf gelbem (!) Grund und das Essen war wirklich gut, schmeckte sauer-süß mit stärkerer Betonung des Sauren und einem unerklärlichen Beigeschmack, der freilich nicht mal unangenehm war. Während ich noch grübelte, was das sein könnte - irgendwas in Richtung Spargel?- begab ich mich aufs WC. Hier gab es ein getrenntes Urinal für die Herren und aus Gründen der Raumökonomie hatte der Restaurantbetreiber das Urinal in einem Raum angebracht, der auch der Fleischzubreitung diente. Ein noch mit Fleischresten verkrusteter großer Fleischwolf stand da, durch ein winziges Sperrholzbrett vom Urinal getrennt. Immerhin!

Und waren das auch fast die einzigen Ausreißer in sieben Jahren Taiwan, so erheben wir uns jetzt alle von den Plätzen und singen zusammen: "Das hätte das Gesundheitsamt in Deutschland nie genehmigt!"

P.S.: Sensibel für den Satz mit dem Gesundheitsamt bin ich nach dem Lesen eines Artikels in Klaus Bardenhagens Blog geworden: LINK. Stimmt wirklich, man hört ihn immer wieder, auch von mir ;-)

** oder war er klein, glattrasiert und mit Stupsnase versehen?

***Frau Igitte Pfui, Bündnis-90/Die Grünen, ist seit 2001 Mitglied des Bundestages

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lu Er Fu sagt:
Stimmt, ich hatte nur einmal Riesenprobleme beim Essen.
schwiegermama hatte Fisch gebraten. Da ich eigentlich nie an Fischvergiftung sterben wollte (auch in Deutschland ist man ja megaout wenn man keinen Wein trinkt und nur Schnitzel anstatt Seeteufel an Muschelsud mit schwarzen Spaghetti nimmt) habe ich den Fisch weggelassen. Am naechsten Morgen fragten mich die anderen ob ich auch Durchfall hatte. Natuerlich nicht. Gut, dann war es nicht der Fisch. Der wurde dann nochmal gezzzzzzzzzzzzssschhhhhhht (so hoert sich das an wenn Schwiegermama kocht) und von allen mit Genuss verspeist. Na gut, ich nehm dann auch mal ein Fitzelchen. Das waren die haertesten 3 Tage meines Lebens in TW. Ich konnte nicht mehr sitzen. Und bei DEM Klopapier (=Servietten oder so) erst reht nicht.
Aber ansonsten....mal nicht so empfindlich sein. Und nicht dran denken wie es nachts in manchen Kuechen zugeht wenn das Licht aus ist und die Krabbler kommen.

"Ludigel" hat gesagt…

Brrrr.... ja, es krabbelt bestimmt gut in den Garküchen. Fisch vermeide ich ja fast immer, weil ich ihn meist einfach nicht mag, da habe ich vielleicht Glück.